Freitag, 9. Februar 2018

Alles eine Frage des Timings

Das Jahr hat gerade erst angefangen und schon bin ich völlig im Stress. Und ehrlich, zurückblickend ist das um Karneval immer so. Alle krank, irgendwas wichtiges kaputt, keine Kohle. Nun gut. Die Fenster sind geputzt und die Sonne scheint. Ich frage mich also, warum ich so gestresst bin, wo ich doch meine Elternzeit genießen und mich um nichts als um meine Kinder sorgen sollte. Was das Sorgen angeht, kann ich feststellen, dass es sich beim 2. Kind tatsächlich anders anfühlt. Ich habe nicht mehr Angst, sie fallen zu lassen oder mit ihrem kleinen Köpfchen gegen den Türrahmen zu donnern. Ich sehe sie auch nicht schreiend und frierend in der Wildnis rumliegen, während ich eine Doku mit wunderschöner Winterlandschaft schaue. Natürlich bin ich achtsam wie ein Schießhund, sollten die Mädchen komische Geräusche machen oder mal kurz husten, etwas müder sein als sonst oder ihren Rhythmus verändern. Dann streichle ich einfach liebevoll über ihre Köpfe und prüfe so unauffällig die Temperatur. Die Kinder nehmen, und das sollte wohl auch so sein, den größten Bereich in meinem Leben ein. Und auch, wenn mit denen alles tutti ist...es gibt immer ein Nächstes, was mich beschäftigt. Ich frage mich ernsthaft, wie ich das alles noch mit 35 Std oder Vollzeit damals mit Zweijähriger hinbekommen habe. Da brauchten wir ja nun mal auch was frisches zum Anziehen  und mein mit den Jahren größeres Bedürfnis nach Sauberkeit und Ordnung war auch schon da. Zum Leidwesen meines Mannes, möchte ich das alles nicht nur so gerade eben, sondern meistens auch perfekt managen.  Ich meine, du musst auf Zack sein als Mama. Außerdem vermisse ich meinen fachlichen Austausch mit Kollegen und so plane ich schon den nächsten Marte Meo Elternabend, mache neue Filme und bin bei mehreren Erziehungs und eben nicht Erziehungsseiten in sozialen Netzwerken unterwegs. Die eigenen Kinder sind dabei natürlich die wertvollsten Erkenntnisbringer. So kann ich jetzt nach guten 3 Monaten sagen, dass wir die erste "große Schwester möchte lieber wieder klein sein Kriese" vorerst hinter und gebracht haben. Hat uns ganz schön spontan überrannt, sag ich euch. Logisch ist es nicht einfach für Kinder, wenn sie vom neugeborenen Familienglück die Enthronung erfahren. Und es äußert sich bei allen anders und doch nie ohne Schmerz. Dazu schreibe ich vielleicht nochmal separat. Im Moment habe ich mich soviel damit beschäftigt, dass ich einen hohen Anspruch an einen Post zu dem Thema habe und gerade schreibe ich nur so runter, weil...weil ich gerade Zeit habe.
DENN ich mache Sachen nicht mehr, wann ich will, sondern wenn ich sie machen kann. Diese Form der Selbstbestimmungsbeschränkung hat mich jetzt beim 2.Kind voll umgehauen. Durch die Termine, die man als Mehrfachmama hat, die vorher eben noch nicht da waren, habe ich nicht mehr so viel zeit zur freien Verfügung. An manchen Tagen, geht außer dem Toilettenbesuch, nichts was ich zeitlich unverzüglich und selbstgewählt mache. Jetzt ist es an der Zeit, zu betonen, dass es Leute mit noch mehr Kindern gibt (Achtung ich habe NUR 2. Als ich NUR 1 hatte, habe ich mich beim Jammern auch schon immer dafür entschuldigt), die viel mehr zutun haben oder alles total entspannt sehen oder oder oder. Es ist eine Herausforderung. Und ich habe sie genauso gewollt! Ich liebe es, abends auf dem Sofa zu sitzen, meine Fingernägel aller Bauarbeiter zu betrachten und festzustellen wie krass der Tag war und was ich alles geschafft habe. Wenns gut läuft, mache ich 2 Std Gartenarbeit, koche eine frische Hühnersuppe und miste den Keller aus. Wenn nicht so gut läuft und das Herbstmädchen auch nicht so recht weiß, was sie tun soll, außer von mir rumgetragen zu werden, dann gibt es Maultaschen von Aldi und die Wäsche müffelt unten im Keller feucht in der Maschine rum. Das halte ich ein paar Tage im Monat aus. Ein fettes Danke an der Stelle an meine Kinder, die sich uns als ihre Eltern ausgesucht haben. Ihr seit so friedlich und zuckersüß!! Wie heißt es doch gleich: man schafft immer das, was man in der Lage ist zu schaffen. Ich dachte immer, ich sei sehr belastbar. Und ich stelle fest, dass es einen enormen Unterschied zu meiner Belastbarkeit auf der Arbeit und zuhause gibt. Und ich denke an Kinder, die in den Institutionen, wie Kita oder Schule funktionieren und dann zuhause oder im Moment, wenn sie Mama oder Papa zur Tür reinkommen, völlig ihre Haltung verlieren um ihrer miesen Emotion den freien Lauf lassen. Genauso fühle ich mich auch. Hier zuhause bin ich mir meiner Liebe und Wertschätzung so sicher, dass ich genervt und gestresst sein kann, wie ich will. Hat ja auch was schönes...manchmal...kurz. Denn wäre da nicht die mütterliche Fähigkeit der Eigenreflektion, dank derer ich mich zu 90 % emotional unter Kontrolle habe. Die Kinder sollen und müssen ihre Eltern authentisch erleben und lernen so (hoffentlich) zahlreiche Bewältigungsstrategien kennen, doch eine weinende und fluchende Mama verkraftet man sicher nicht täglich. Grundsätzlich habe ich natürlich viel Freude an meinem selbstgewählten Muttersein, an meinen Kindern ganz besonders und an allen Herausforderungen des Alltags! Ganz ehrlich wirklich! Denn, wenn nichts wäre, dann fände ich mich abends auch nicht  manchmal so krass. Und sich selber krass zu finden, das ist eine der Gefühle, die ich meinen Kindern von ganzem Herzen wünsche. In diesem Sinne, wechsle ich jetzt mal die Schüssel im Bad, die unter dem tropfenden Deckenschacht steht und ordne meine Unterlagen für den Widerspruch beim Finanzamt, während ich das Gemüse für das frische Asiacurry vorbereite, auf das ich mich so freue. Doch vorher schnappe ich meinen kleinen Schatz, der jetzt gerade durchs Babyfone quietscht. Alles eine Frage des Timing!

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Willkommen Herbstmädchen




Ich habe gerade den Geburtsbericht gelöscht. Hatte alles aufgeschrieben, jeden Schritt. Doch das erschien mir plötzlich, heute nicht mehr wichtig. Wie das Herbstmädchen zu mir kam, ist letzten Endes egal. Ich meine, was ist wichtig dabei, wie es geschah? Ob die PDA gut gesetzt wurde und wie lange der Schmerz an der Narbe anhielt. Es gibt wohl Bedeutsameres zu berichten, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt hat. Nur soviel. Es war ein Kaiserschnitt, denn sie wollte oder konnte sich nicht drehen. Sie lag all die Zeit mit ihrem Kopf unter meiner Brust und verließ diesen Ort am 02.11.17 um 8:26 Uhr mit Hilfe vieler helfenden Hände. So ganz anders als bei der Geburt von der Großen haben wir uns kennengelernt. 
Jetzt sind wir heute sechs Wochen zusammen, hier nebeneinander. Ich bin vor lauter Schlafmangel ziemlich verpeilt, nachts zeitweise am verzweifeln und dann, wenn sie in meinem Arm liegt, an meiner Brust trinkt, so erfüllt von Dankbarkeit. Wieder fühle ich diese Sicherheit, dass es eben genau dieses Kind sein musste. Hätten wir uns letztes Jahr im Sommer nicht von dem Pünktchen verabschieden müssen, wär sie heute nicht da. Sie ähnelnd mir als ich so klein war und trotz der Unterschiede zu ihrer großen Schwester, sehe ich M. in ihr jedes mal, wenn ich sie anschaue.
Gelassener als beim ersten Kind, erlebe ich den Alltag. Ich sehe die Große mit anderen Augen. Mein kleines Rehlein, welches so fürsorglich und vernünftig ihre große Schwesterrolle einnimmt und mich doch noch so sehr braucht. Voller Stolz trage ich das kleine Bündel und halte das große Kind an meiner Hand.  Ich weine ständig, denn schöne Musik oder emotional gesprochene Worte lösen dank Hormone eine Flut an Gefühlen bei mir aus. Und auch wenn es nach wie vor eine Herausforderung für mich ist, den Haushalt nicht in Perfektion erledigen zu können, übe ich mich in Geduld und nehme mir Zeit für eben andere Dinge, wie jetzt hier zu schreiben. Schon oft in den letzten Wochen dachte ich "och, darüber könntest du ja mal schreiben..."! Doch so gehen die Tage vorbei und ich lasse die Themen kommen und gehen, während ich sie gedanklich verfasse. Ich dachte an Eifersucht der Großen und die damit kommenden Veränderungen, an die gestressten Mütter meiner Generation und warum wir unsere Mütter immer so gelassen erlebt haben. Ich dachte an das Vermissen des Jobs und an die systemischen Veränderungen, die eine Geburt in der Familie bewirkt.
Und wer weiß? Vielleicht schreibe ich auch nochmal über das ein oder andere. Doch jetzt gerade wird mir bewusst, dass ich mit keinen Worten dieser Welt beschreiben kann, was es an Vielfältigkeit in mir auslöst, was hier gerade passiert. Als M. geboren wurde, wurde ich ganz plötzlich zur Mutter. Das bin ich ja jetzt schon über fünf Jahre und kenne meine Stärken und Schwächen in dieser Rolle. Nun macht es fast noch mehr Spaß, das alles nochmal und doch so anders zu erleben. Denn du weißt, dass es wieder ruhigere Nächte geben wird, dass es irgendwann das letzte mal ist, dass sie dich wecken, in dein Bett gekrochen kommen. Zu sehen, wie die Zeit vergeht, macht mir Angst! Kommt M. nächstes Jahr in die Schule! War das Thema z.B. am Ende der Schwangerschaft noch so heftig emotional für mich, kanalisiert sich die Sorge nicht mehr nur auf ein Kind. Man könnte sagen, jetzt sorgste dich doppelt. Und doch schwingt Erleichterung mit. Denn auch das sich sorgen löst sich ab. Mit Freude und Entspannung. Und die Erkenntnis, dass mit jeder großen Liebe auch die Angst um ein Verlassen kommt, ist mir ja Gott sei dank nicht neu. So hat es mich diesmal nicht ganz so eiskalt erwischt. Es kam ganz leise früh morgens am Wochenende, als der Papa mit der Großen schon wach war und drüben einen Film schaute, betrachtete ich C. im Schlaf und dachte so "jetzt ist es soweit! Ich liebe sie so sehr! Eben auch so sehr, dass es weh tut!"
"Mama, warum geht es in Liedern ständig um die Liebe?" Fragt das Rehlein mich im Auto. Muss ich immer beantworten, um was es in den Songs geht...
"Weil die Liebe die größte aller Kräfte ist!" ist immer meine Antwort. Und darauf hin fragt sie nie weiter. Als ließe diese Antwort keine weiteren Fragen offen.
Wir warten auf die Hebamme, hören Andy McKnee "for my father" und mir rollen natürlich wieder ein paar Tränen runter. Ich alte Seelenberührte. Und das Herbstmädchen liegt neben mir und holt den Schlaf der vergangenen Nacht nach. Willkommen...

Dienstag, 15. August 2017

Rehlein 5 Jahre

Mein Kind,
Heute bist du 5 Jahre alt und ich kann nicht glauben, dass es eben erst fünf sind, seit wir uns kennen! Letztes Jahr um diese Zeit war ich voller Angst und Zweifel, konnte mich gar nicht auf deinen großen Tag freuen. Und jetzt...12 Monate später trage ich dein Geschwisterchen unter dem Herzen und bin schon seit Tagen aufgeregt, als wäre es mein eigener Geburtstag!
Wenn ich so zurück denke, bin ich doch überrascht, welche Entwicklungssprünge du wieder hingelegt hast. Abgesehen davon, dass du dich rein optisch immer mehr vom "kleinen Kind" entfernst, müssen Papa und ich uns fast täglich neu sortieren, um auf dein Temperament, deine Sprüche und dein emotionales Wesen angemessen zu reagieren. Im Großen bist du ein ausgeglichenes Kind, welches stundenlang voller Fantasie spielen und wuseln kann. Dabei sprichst und singst du mit dieser hohen "Spielstimme", wobei ich mich frage, wie du dies ohne Schäden an den Stimmbändern hinbekommst. Du kannst alles, wirklich alles gebrauchen, was du bei uns zuhause findest. Ich plane das Wegwerfen von Verpackungen akribisch, um nicht von dir erwischt zu werden, da es sonst mit einem "das brauche ich zum Basteln!" in deiner großen Kiste verschwindet und sie kann nicht groß genug sein, denn sie quillt grundsätzlich über. Das hast du eindeutig nicht von mir.
Jedes Blatt, jeder Stein oder Stock haben etwas Magisches und werden behutsam angeschleppt. Mein Gott, hätten wir keinen Garten, müssten wir anbauen. Du würdest am Liebsten immer nur dein eines Lieblingskleid /T Shirt/ Hose / Socken /Unterwäsche anziehen. Manchmal denke ich du sagst einfach nur - was auch immer - wäre dein allerliebstes Teil, nur um mich in den Wahnsinn zu treiben.
Du lernst gerade Schwimmen und Pfeifen und hast in deiner Selbstkompetenz wichtige Schritte erreicht. Glücklicherweise kuschelst du sehr gerne und noch viel mit uns und versicherst mit ständig, dass das auch immer und ewig so sein wird. Wenn du in emotionale Not gerätst, bist du (sollte ich selber gerade entspannt und Herr meiner Sinne sein) schnell wieder zu beruhigen. Wir finden dann gemeinsam einen Weg. Man darf nur nicht den Fehler machen, Alternativen vorschlagen, die mit deinem Plan nicht übereinstimmen. Natürlich ist dein Plan uns nur selten bewusst. Und so kann der Vulkan lange still und ruhig vor sich hin schlummern, bis er sich dann ohne Vorwarnung in einem riesen Knall entlädt. Du hast mir so viel beigebracht. Wie ich mit meinen eigenen Gefühlen umgehen muss und darf. Du zeigst deine klar und deutlich, kannst sie verbalisieren und wenn nötig auch zurückstellen. Ich lerne jeden Tag von und mit dir und wenn du mir voller Begeisterung deine Ideen mit leuchtenden Augen erzählst oder wütend verkündest, dass ich voll die doofe Mama bin, ich bin stets so unendlich dankbar diese Eine für dich sein zu dürfen. Du brauchst mich noch so viel und doch so wenig. Bis jetzt erzählst du mir jedes deiner Geheimnisse, kannst keine Wimper wegpusten, ohne mir deinen Wunsch zu verraten. Noch bin ich ganz mit deiner inneren Welt vertraut. Diese kostbare Zeit genießen wir einfach. Es wird eine andere folgen, die auch ihren Zauber haben wird. Aber eben einen anderen.
Heute warst du schrecklich beschäftigt mit Geschenken, den Gästen und deinem Spiel, dass wir uns vor dem Schlafengehen erst einmal lange in den Arm nehmen mussten. Du gabst einen tiefen Seufzer von dir und flüstertest mir ins Ohr, dass du mich so lieb hast. Wie auch die Jahre davor, werde ich dir gleich eine kleine Videobotschaft aufnehmen. Die bekommst du dann alle, wenn du selber Mama wirst. Und natürlich werde ich dabei weinen, wie all die Male davor. Einfach, weil meine Seele so von dir berührt ist.
Mein Lieblingsmensch, mein Seelentrost, mein großes Kind


Freitag, 14. Juli 2017

vom Schweben und Kontrollieren

Ich mache nicht da weiter, wo ich aufgehört habe, denn dafür ist zu viel Zeit vergangen.
Als ich im Februar letzten Jahres das letzte mal hier etwas gepostet habe, war dies eine kleine Liebeserklärung an das Rehlein. Seitdem habe ich keinen der Einträge mehr gelesen. Es ist eine gute Entscheidung meine Gedanken wieder hier zu lassen, denn auch wie die Zeit, die nicht aufzuhalten ist, verfliegen die Momente und Augenblicke. Doch sie bleiben oder kehren wieder, wenn ich sie hier noch einmal Revue passieren lassen darf. Neben dem Rehlein, welches natürlich nicht in seiner Entwicklung stehengeblieben ist, bin ich Hüterin einer Erfahrung, welche mein Leben von zahlreichen Seiten her verändert hat. Ursprünglich hatte ich den Wunsch , dies in dieser Form mit anderen zu teilen, verworfen. Doch nun, eine ganze Weile danach, kommt mir der Gedanke, dass es, kein tabuisiertes Geheimnis für mich sein soll.
Das Leben spielt dir die Scheiße zu. Da brauchst du keine Sorge haben, dass es dich vergisst. Und so sehr man sich auch mit anderen "Fällen" vergleicht, an den Schicksalen anderer teilnimmt, so sehr hockt man doch eingelegt im eigenen Saft,  wenn es einen erwischt.
Interessant, wie ich mich versuche der Sache zu nähern, ohne den ersten Schritt zu wagen. Eigenwahrnehmung - wichtiges Ding!
Also...im Frühjahr 2016 war ich mitten in meinem Traumjob angekommen. Es lief wunderbar und das Rehlein war nach anderthalb Jahren Kita auch rundum zufrieden mit seinem Kinderalltag. Wir alle drei hatten die größten Hürden der täglichen Familienstruktur hinter uns gelassen. Schlafen, Essen, Trennung, alles kein Problem mehr. Zeit für uns Eltern, Zeit für uns als Familie, Zeit für  Hobbys, Zeit für Mama alleine. Perfektes Timing also, um dem allem vorerst ein Ende zu setzen. 
Wir wollten das zweite Kind in Anlauf nehmen. Im Sommer könnte die Schwangerschaft beginnen, dann wäre ich 2 Jahre raus und könnte noch 1 Jahr mit meiner Kollegin...und so weiter und so fort. Ich bin ein Kontrollfreak. Ich weiß das von mir und ich liebe es. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nur nicht, wie ich mich selber lieben könnte, wenn das mit dem Kontrollieren nicht funktioniert.
Ende Juni hielt ich dann den positiven Test in den Händen. Große Freude. Ungläubig, dass es jetzt wirklich so war, lebte ich den Alltag und wog ab, wann ich die Bombe auf der Arbeit am besten zum Platzen brachte. Eine Kita zu leiten bedeutet 100% deiner Aufmerksamkeit, kein Platz für Müdigkeit oder Übelkeit. Dazu kommt meine mit den Jahren immer mehr wachsende, ich nenne sie mal "Empfindlichkeit" gegenüber Bakterien. Schlechter Ort zum Arbeiten, wenn man weiß, dass man nicht gegen alles immun ist, was dem Minimensch in einem schaden könnte. Ich arbeitet noch ca zwei Wochen, bevor ich es dem Arbeitgeber sagte und damit ins sofortige Beschäftigungsverbot ging. Die Sommerferien standen kurz bevor und ich hatte eh eine Woche früher Urlaub, daher konnte ich ganz gut verschwinden. Es würde nicht so auffallen, schließlich möchtest du nicht allen Eltern von deiner Schwangerschaft erzählen. Außerdem bekam unser Bad eine Kernsarnierung und wer das schon mal erlebt hat weiß, dass eine Stunde Putzen täglich mit dem ständigen Ein und Ausgehen der "Bau-Männer" wie sie das Rehlein und ich dann später auch nannte, das Minimus an Schadensbegrenzung ist. Da war ich in der sechsten oder siebten Woche. Wir fuhren, nachdem ich einmal kurz beim Frauenarzt die kleine Fruchthöhle sehen durfte, für zwei Wochen nach Holland. Wir sagten der großen Schwester noch nichts. Macht man ja so. Nicht, bevor die ersten drei Monate um sind. Es würde schon nichts passieren, doch ich hielt mich an den Leitsatz und freute mich auf den Moment. Sooo sehr wünschte sich das Rehlein ein Geschwisterchen. Alle ihre Freundinnen hatten schon eins. Einmal im Auto unterhielten wir uns:
R: " Mama, wenn man alleine ist als Kind in einer Familie...wie nennt man das?"
M:" Einzelkind" ist man dann...wie der Papa"
R:" Sind wir solche Leute?"
M:" Oh Schatz, wir wollen auf jeden Fall noch ein Kind. Doch man kann es nicht erzwingen. Ich wünsche es mir aber ganz fest!"

Die zwei Wochen im Urlaub waren schnell vorbei und ich war froh darüber. Ging es mir doch eher bescheiden. Wie gut, dass man es immer wieder vergisst, wie unbequem doch gerade die ersten Monate einer Schwangerschaft sein können. Ich dachte ständig darüber nach, wo diese kribbelige Freude war, die ich in der ersten gespürt hatte. Die war einfach nicht da. Ich schob es auf die Übelkeit und den Renovierungsstress und auf eben alles, war gerade so zu finden war.
21.03.17 solltest das Kind kommen..so ungefähr eben. Passte gut in den Plan.
Als der Mann und ich dann in der neunten Woche wieder zum Ultraschall fuhren, hatte ich die kleine Bohne vor Augen, die das Rehlein in dieser Phase abgegeben hatte. In einer Millisekunde war mir klar, dass das winzige weiße Etwas auf dem Bildschirm nicht das war, was ich erwartet hatte.
Und so hörte ich gedämpft von der Ärztin: "Da ist nichts. Es hat sich nicht richtig entwickelt". Stille.
Anschließend hat sie mich - uns noch irgendwie beraten wollen. Ich weiß noch, dass sie sagte, das habe sie schon lange nicht mehr gehabt. Das kam mir total bescheuert vor. Als ob mich interessiert, was die in ihrer Praxis für Fälle hat oder nicht.
Auf dem Weg nachhause, mailte ich direkt meinem Chef. Völlig im Denk Luftleeren Raum, gab ich an, man solle doch bitte mit der Stellenausschreibung für die Neubesetzung warten. Ich hätte das Kind verloren und käme bald wieder.
Zuhause verlor ich mich in Kopflosigkeit. In zwei Tagen war Rehleins vierter Geburtstag. Wie und wann konnte ich ins Krankenhaus? Ich wollte es einfach hinter mich bringen, wieder von vorne versuchen, schnell wieder schwanger sein. Mein Körper war immer noch der Meinung es wäre so. 
Wir konnten direkt ins Krankhaus, auch wenn am Freitag mittag nichts mehr vor der nächsten Woche gemacht werden würde. Aber nochmal nachschauen und planen erschien mir besser, als jetzt das Geburtstagswochenende einfach so auszusitzen.
Der Oberarzt war super nett. Er schallte sehr gründlich und gegen alle Erwartungen sah ich ein kleines Flimmern. Ganz schwach. Er stockte kurz und meinte dann :" Ich sehe einen Herzschlag!"
Wenn ich jetzt daran zurückdenke, weiß ich nicht, wie ich dieses Gefühlschaos überstanden habe.
Da schlug tatsächlich ein kleines Herz. Es sah aber alles trotzdem viel zu klein aus, eher wie in der 6. Woche. Doch trotz meines Nachfragens, meinte er es wäre alles in der Frühschwangerschaft möglich, da würde er keine Prognosen machen.
So fuhren wir erst einmal wieder nachhause und ich schrieb meinem Chef, dass doch wieder alles anders sei. Er solle einfach noch warten. Das Gefühl aber war unausstehlich. Ich hatte es ja gesehen. Viel zu klein bei viel zu viel Fruchthöhle plus mein komisches Gefühl, was mich ständig fragte, wieso denn da ein Herz schlägt..
Wir feierten den vierten Rehleingeburtstag mit der Familie und zwei Tage später den meiner Oma und außer meiner engsten Familie und meinen besten Mädels wusste niemand etwas von der Sache.
Wir waren dann nochmal Montags im KH und konnten den schwachen Herzschlag nochmal anschauen. Ich fühlte mich die ganze Zeit als schlechter Mensch. Wollte ich doch all meine Liebe, meine Vorfreude in dieses kleines Wesen pumpen und es ging einfach nicht. Wer bist du? Was machst du da und was wird aus dir ...aus uns? Neben der Übelkeit mit diesem Wirrwarr noch ein kleines Mädchen auf seine Kinderparty vorzubereiten, war eine der größten Herausforderungen dieser Tage. Als wir eine Woche später zur Kontrolle fuhren, hoffte ich einfach nur auf Klarheit. Schweben...für mich ohne hin ein nicht einfacher Zustand und jetzt sollte dieses Unwissen einfach verschwinden. Es war nicht verschwunden. Nur der Herzschlag war weg. Wir machten einen Termin für Montag. Das ganze Wochenende samt Party lag vor uns. Absagen? Durchziehen? Null Plan. 
Wir holten das Rehlein gemeinsam von der Kita ab, nachdem wir uns beide kopflos im Auto gestritten hatten. Was soll ein Mann seiner Frau sagen, wenn sie ein totes Kind im Bauch hat? Was braucht sie da, was will sie hören? Ich wusste es selber nicht und es tat mir schrecklich leid. Für uns alle.
Die Party war schön und obwohl sich alles weiterhin wie ein schlechter Film anfühlte, so wusste ich doch endlich was als nächstes geschehen würde. Mein Körper wusste noch nichts davon, der schien immer noch schwanger zu sein.
 Ich hatte keine Angst vor der OP, wollte einfach so schnell wie möglich von vorne beginnen, wieder in der Alltag starten.
Ich nahm mir drei Wochen Auszeit. Dann konnte ich mich wieder gut von der Arbeit ablenken lassen. Die Kollegen waren zauberhaft und dank der langen Sommerpause hatten die Eltern in der Kita nichts bemerkt. Auch wenn ich froh war, wieder Normalität spüren zu dürfen, wurde mir klar, wie schwer es für mich war. Traurig sein zu dürfen und sich dabei doch anzunehmen, es auszuhalten, es einfach nur zu sein. Das war die wichtigste Lehre. Warum das kleine Leben sich noch gezeigt, mich eine Woche lang begleitet hat, weiß ich nicht. Ich habe einen Platz im Garten, unser "Wunschbeet". Dort liegt jetzt der Stein vom "Pünktchen"...liebevoll bemalt und mit Goldfäden umwickelt.
Manchmal denke ich an dich und werde traurig und dann lasse ich das Gefühl auch da sein, schiebe es nicht mehr weg. Du bist jetzt ein Teil von meinen, unserem Leben.
Der 21.03.17 kam so schnell auf uns zu. Ehrfurcht hatte ich vor dem Datum. Zwischenzeitlich wurde eine Freundin schwanger und in der Kitagruppe des Rehleins wurden Geschwisterkinder geboren. Ich verstehe jetzt die Frauen, welche keine Babys und Schwangeren sehen wollen und können. Fremd war ich mir und doch näher als je zuvor, als ich keine Glückwünsche über die Lippen brachte vor Trauer und Wut über die eigene Situation. Die Tatsache, dass ich ein Wunder bereits bei mir habe, hat mir natürlich viel Trost gespendet. Mein Kind, welches so scheinbar einfach in unser Leben kam, ohne Sorgen geboren wurde und der Mittelpunkt von all dem ist. Als das Rehlein die Ultraschallbilder fand und fragte, ob sie das wäre, wusste ich, dass der Zeitpunkt da war es ihr zu sagen. Ich fühlte mich sicher genug an diesem Morgen, ganz unaufgeregt beim Frühstück.
"Das ist das Baby, bei dem es leider nicht geklappt hat."
"Aber es kann doch beim nächsten Mal klappen, Mama oder?"
Zwei Wochen vor dem 21.03. testete ich positiv. Dass ich jetzt endlich bei dem Teil der Story angekommen bin, erleichtert mich! War es doch ein langer Weg voller Zweifel, Hoffnung und Angst. Und die Gefühle sind es auch, die dich immer begleiten, wenn du Kinder hast. Es hört nie auf.
Doch über all dem schwebt die Liebe. Und wenn ich es nun zaghaft in mir spüre, dass da etwas ist, neues und doch vertrautes Leben, dann ist es das Gefühl vom Schweben. Und ich kann es aushalten, in mich hineinschmunzeln und ganz fest daran glauben. Ist es eben nicht zu kontrollieren, was mit uns geschieht. Ob es am Ende klappt, ob es bleibt oder geht, wie es sein wird. Ich kann es nicht steuern, kann nur entscheiden, was ich daraus mache. Sich schweben zu lassen in der unbekannten Vorfreude, ich lerne es gerade.
Die ersten 23 Wochen sind rum. Das Rehlein freut sich wie Bolle und wir sind wieder in Holland. Wieder schwanger ans Meer, diesmal die Übelkeit hinter mir gelassen, genieße ich die Zeit hier. Das alles jetzt geschrieben zu haben, wühlt mich auf. Doch es sichert auch, fühlt sich an wie eine Bestätigung. Bestätigungen sind gut. Sie geben uns das Gefühl, dass wir da, wo wir jetzt sind, hingehören.



Samstag, 2. März 2013

Eine Mama zu sein, hat mein Leben verändert! Ich genieße meinen Alltag als Rehleinmama zwischen Babystolz und Eheschwur, Jobvermissen und Haushaltskult. Gedankenordnen ist ne feine Sache und so bin ich gespannt, was hier passieren wird. Wenn die "Phasen" länger sind als der Rest, wir den Tierarzt zu oft sehen, das Konto Späße treibt und das Bett zum Reinkrabbeln und Verschwinden nicht geöffnet hat, könnte der Blog der Keks zu meinem Kaffee sein!

Let`s see, if its yummy!